05.08.2011

Heut' is so ein schöner Tag schalala la la

In einem kleinen Dorf irgendwo in Niedersachsen denken gerade rund 2800 Leute: Scheiße, es regnet. Es ist Volksfestwochenende. Egal, ob es regnet, wir haben trotzdem Spaß, heißt das sich wiederholende Mantra der jetzt schon angeheiterten Dorfgemeinschaft. Bier, Weib und Gesang. Früher mal Schützenfest, aber das darf man jetzt nicht mehr sagen, weil es ein Fest fürs Volk ist, nicht nur für Schützen, wir sind offen für alle und Schützenvereine sind heutzutage eh ein heikles Thema. Rein in die engen Uniformen, ordentlich gebügelt, die Abzeichen glänzen. Lassen den Gang aufrecht wirken, man geht festen Schrittes, den Blick nach vorne gerichtet, rechter Fuß auf Schlag der Pauke. Eins und zwei und drei und vier. Die Uniformen haben die Repressalien vergangener Zeiten überstanden, diese drei Tage darf man endlich wieder marschieren. Die Band heißt zwar nicht Tiffany's, aber mindestens so ähnlich. Die Meute sitzt auf dem abgewetzten Holzboden des Festzeltes, es wird Rosé von Aldi ausgeschenkt, der dröhnt ordentlich. Aloha hé, wir träumen vom Rudern, Schatzi, schenk mir ein Foto, denn ich steh am Marterpfahl bis sich das rote Pferd umgedreht hat. Volksfest ist ein permissives Feld: Regeln, normierte Verhaltensweisen, alles ausgeschaltet an diesem Highlight des Jahres. Nachts geht man Arm in Arm mit dem sonst so verhassten Nachbarn nach Hause und verspricht sich: jetzt öfter wieder was zusammen machen, Schmatzer auf die Backe, ist doch toll, wenn man noch so eine Gemeinschaft hat! 
Es regnet in Strömen, die Art von Nieselregen, die den ganzen Tag nicht mehr versiegen wird, es hat sich eingeregnet, genau über dem Festplatz. Die Uniformen werden erst klamm, dann nass, dann die Kälte. Aufkommende Gänsehaut wird einfach weggetrunken, bis man nichts mehr spürt. Kinderkarussell und Autoscooter drehen schon ihre Runden, in den langsam entstehenden Pfützen des unebenen Festgeländes spiegelt sich die Lust am Suff in rot, grün und vor allem blau. Und es geht wieder los, los, los. Der Chip für 2,50. 5 für 10. Geschäft gemacht, Bratwurst verputzt, schnell mit wässrigem Bier ohne Kohlensäure nachgeschüttet. Wo sich sonst der Magen schon umgedreht hätte, erfährt er dieses heilige Wochenende eine unfassbare Belastbarkeitsprobe, die er auch besteht. Gekotzt wird Montag, auf der Arbeit. Permissives Feld eben. Es ist wie uniformierter Kurzurlaub, man kann das Knistern freudiger Erwartung eines ganzen Dorfes förmlich spüren. Oder sind es doch nur die Fähnchen, die an jedem dritten Haus wehen? 
Alte Männer, frühere Junggesellen, fahren mit dem Rad schon mal runter, schauen, ob die Schaustellerjungens das auch anständig machen. Es wird freundlich gegrüßt, bis 12 noch Arbeiten, die Minuten werden gezählt. 2800 Mal irgendwo in Niedersachsen. Wir werden unseren Spaß haben, egal, ob es regnet. Montag ist wieder Ernst. Dorfgemeinschaft ist was Feines. Auch, wenns nur drei Tage im Jahr anhält.



2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

großartig, genau wie bei uns!

Anonym hat gesagt…

gut beobachtet, steckt viel Wahres drin und zudem amüsant geschrieben... like...

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