08.07.2013

Ausbildungsbericht, Teil 2


Oben auf dem Foto seht ihr meine persönliche Sonnenseite, unten die Schattenseite meines Berufs. 






























Das ist Phoeby. Phoeby ist eine Deutsche Dogge, sie ist sieben Monate alt, ein knuffiger Welpe also, und laut Besitzerin "wird die noch mindestens doppelt so groß". Ein halbes, glückliches Jahr lang bin ich um meine Phobie herumgekommen. Menschen haben Hunde, das ist nun einmal so und ich schreibe über Menschen, das ist nun einmal so und dass sich beides irgendwann einmal überschneiden würde; nun ja, es war nur eine Frage der Zeit. Seit Donnerstag nun arbeite ich in Salzgitter, die Stadt, die von einigen Einwohnern liebevoll Szitty genannt wird. Das kann man als witziges Wortspiel bezeichnen, man kann es aber auch lassen. Salzgitter, oder Szitty, sagen jetzt einige, das ist eine Überraschung, denn viele, auch ich, haben damit gerechnet, dass ich nun in Wolfsburg arbeite. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Alles zu seiner Zeit. Ich arbeite also in Lebenstedt, mitten in der Innenstadt. Es gibt dort Läden, die heißen billiger-shop und Mister Lady, ich habe es mit eigenen Augen gesehen. 

Völlig unvoreingenommen kam ich, natürlich nur mithilfe meines Navis, recht püntklich in der Redaktion an. Da gebe es eine Hundewiese am Westufer des Salzgittersees, Lisa, fahr doch mal bitte hin, sprich mit ein paar Hundebesitzern, macht Fotos von spielenden Hunden und hör dich mal um, wie die Wiese jetzt nach der Umzäunung angenommen wird. 

Was sollte ich denn machen? Ich konnte ja nicht an Tag 1 und Aufgabe 1 schon scheitern und den Hundeschwanz einziehen. Also bin ich mit Herzrasen bis zum Hals mit unserem Fotografen zur Hundewiese gefahren - ihm habe ich natürlich in aller Kürze mein Problemchen erzählt - er hat selbstverständlich nur gelacht. Ich glaube, er fand das niedlich, zumindest hat er nicht verstanden, dass mir gerade wirklich der Arsch auf Glatteis ging. Außer Hundewiese kann eigentlich für mich nur noch ein Tierheim ein größerer Vorhof der Hölle sein.

Bei der Hundewiese angekommen, stellten wir schnell fest, dass auf der 5000 Quadratmeter großen Fläche nicht ein einziger Hund herumtollte ("durchschnittlich immer 20-30 Hunde, das gibt prima Bilder). Ich sagte nur zu Bernward: Ach schade, ja, dann müssen wir wohl gehen und du kommst später nochmal allein hierher für das Foto. In dem Moment kam Phoeby. Und dann eine Bulldogge und ein Schäferhund, dann kam ein schwarzer Labrador und ein heller und dann ein Westie und auf einmal waren es 15 Hunde - und ich mittendrin - steif wie nur ein Stock steif sein kann, stand ich da, hielt den Atem an und befragte zwei Besitzerinnen (Phoebys und Max') nach ihrer Meinung zu der Scheiß Hundewiese. Dabei sprang mich Max, der blonde (sagt man das so) Labrador ständig an und die Besitzerin war ganz entzückt: Och, Sie mag er aber gerne. Blonde Mädchen findet er ganz toll. Ja, brav, Max. Und ich dachte: Nein, der merkt ganz genau, dass ich Todesangst habe und will mich dominieren, deswegen springt er hoch. Ich habe ihn selbstverständlich trotzdem gestreichelt und die Zähne zusammen gebissen.

Im End Effekt liege ich momentan mit Laptop auf dem Bauch im Bett, will heißen: Ich lebe noch. Keiner dieser Hunde hat gebellt, erstaunlicherweise und glücklicherweise. Sie haben herumgetobt und sich gegenseitig unterworfen und Rangordnungen geklärt. Aber nur knurrend. Als ich dann schlussendlich sagte: Komm Bernward, du hast doch jetzt genug Fotos gemacht, und er sagte: Aber willst du nicht noch jemanden befragen, und ich nur: NEIN, antwortete, hatte er wohl verstanden, dass ich wirklich gehen möchte. Ich mieser Feigling. Hier der Bericht. Man kann, glaube ich, meine Hektik herauslesen, wie ich durch den Artikel Zeile für Zeile rase, sonst gebe ich mir wirklich mehr Mühe mit Atmosphäre, mehr O-Tönen usw, aber in diesem speziellen Fall bin ich froh, dass ich da ohne Herzinfarkt herausgekommen bin. Und das meine ich ernst, ich hatte Angst, dass mein Herz sich so stark zusammen krampft, dass ich an einem Phobieschock sterbe. Oder einem Phoebyschock.

Der Tag ging lustig weiter, denn plötzlich stand dieser Mann vor mir. Der schrulligste, witzigste, cartoonesqueste Mensch, den ich jemals kennen gelernt habe (erstaunlicherweise kannte ich ihn im Übrigen schon vorher, weil ich ihn in der Fernsehsendung betreute, bei der ich gearbeitet habe). Dieses Waldmännchen - wenn man den Artikel liest, weiß man, dass es nicht als Beleidigung gemeint ist - brachte mir meinen zweiten Artikel am Donnerstag ein, sodass ich Samstag die ganze Lokalseite sechs mit Hunden und Trüffelschnüfflern dicht machen konnte - ganz zur Freude meiner neuen Chefin. Der Trüffelschnüffler im Übrigen möchte Ende des Monats einen - Achtung - Kurs für Hundebesitzer mit Hund anbieten, um sie in der Trüffelsuche auszubilden. Und wer darf den Wochenendkurs höchstwahrscheinlich begleiten? Bingo. Mein neues Fachgebiet: Alles rund um den Hund.

Wahrscheinlich werde ich aber keine Zeit haben, denn ich habe mir eine schöne Sommerserie angelacht und zwar stelle ich in mehreren Folgen Cabriofahrer aus Salzgitter vor - dazu hatte ich in einer kleinen Kolumne aufgerufen und für diese Woche schon fünf Termine ausgemacht.

Und dafür, und jetzt kommen wir zum eigentlichen Punkt, liebe ich meinen Job immer wieder und deswegen motiviere ich mich auch stets aufs Neue, tagtäglich rund 9 bis 10 Stunden zu arbeiten ohne dafür fürstlich entlohnt zu werden. Die "alte Dame", der weiße Käfer, ist Baujahr 1971 und Dirk, der erste Cabriofahrer meiner Serie, lud mich ein, selbst zu fahren - und da sagte ich natürlich nicht nein. Die seelische Qual war demnach schnell vergessen. Bleibt zu hoffen, dass die nächsten vier Cabriolettes keine Hundezucht-Besitzer sind, denn die besuche ich alle zu Hause. 

Nächste Woche geht es dann für mich in den Schacht Konrad, ins Altersheim zu einem 88-jährigen Erfinder und ins VW Werk Salzgitter. Eventuell noch einmal auf die Wasserskianlage, aber das ist ein anderes Thema. Was ich schon alles erleben durfte durch meine Profession. Ich war Strandbuggy fahren in Lafferde, tauchen mit Sauerstoffflasche im Freibad, Wasserski fahren auf dem See, ich bin mit einem Hochwasserboot auf einer Straße gefahren und habe in einem Bombenevakuierungszentrum mit den Bewohnern gezittert. Ich habe eine Frau getroffen, deren Mann in der iranischen Kulturrevolution ermordert wurde und ich habe Geschichten über die große Liebe von alten Menschen erzählt, ich habe fremden, weinenden Menschen ein Taschentuch gereicht, wenn sie mir von ihrem Leid berichteten und ich habe beim Holi Festival eine Tonne Farbpulver geschluckt. Das ist schön. Ich habe viel gelernt bisher, über das Leben. Damit wird man nicht reich, aber der Horizont, der wächst und wächst und der Verstand ist ständig auf Achse. Ich hoffe, ihr seid ebenso mit einer gewissen Leidenschaft bei eurem Job dabei, zumindest sollte es einmal am Tag einen Moment geben, wo man sich sagen kann: Ja, ich liebe, was ich tue. Und dieses Glück habe ich bisher jeden Tag gehabt. Deswegen geht es mir momentan auch ziemlich gut.

P.S.: Übermutig, nicht übermütig wohlgemerkt, wie ich war, bin ich dann auch an Tag 2 gleich mal ohne Navi nach Hause gefahren, ist ja quasi nur A39, was soll schon schief gehen, dachte ich mir, Lisa, das schaffst du schon, dachte ich mir. Aber auch diese darauffolgende Odyssee ist eine andere Geschichte. Gute Nacht.

P.P.S.: Und ich sage euch, genauso, wie ich eines Tages einen Mini Cooper und ein Saab 900 Cabrio fahren werde (zweiteres wohl mittlerweile sogar eher als ersteres), werde ich später eine Familie und einen Familienhund haben. Das weiß ich. Ich werde meine Angst überwinden und ich werde eine strenge Hundebesitzerin, die ihren Hund unter Kontrolle hat. Aber es wird keine Deutsche Dogge. Und auf gar keinen Fall, wirklich auf gar keinen Fall wird es ein Schäferhund. Es wird vielleicht ein Australian Shepherd. Das sind die hier (Niedlichkeitsfaktor eine Million).

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