09.07.2011

700 Oliven

Und dann gibt es diese Momente, die mich sprachlos zurücklassen. Dass ich davon heute gleich zwei hintereinander erleben würde, ist auf jeden Fall einen kurzen Eintrag wert und Zeichen dafür, dass ich endlich wieder mehr rausgehen sollte, um solche wunderbaren Geschichten auch erleben zu können: Meine Mitbewohnerin und ich schlenderten Richtung Tapas Bar in Ottensen. An einer Kreuzung überkam mich ein altbekanntes Gefühl: Irritation und Orientierungslosigkeit. Wir gingen zur nächstgelegenen Bar auf zwei Männer mittleren Alters zu, um nach dem Weg zu fragen. 

1. Gespräch
Lisa: Entschuldigung, in welcher Richtung ist nochmal das Zeise Kino?
Mann: In meiner Hose ist gerade Zeise Kino. 

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es sich bei meinem Gesprächspartner nicht um irgendeinen jugendlichen Proleten handelte, sondern um einen, ich schätze mal, Familienvater, der sich mit seinem Kumpel noch auf ein Weißbier getroffen hat. Ich bin selten sprachlos, aber das war wirklich die letzte Antwort, mit der ich gerechnet hätte. Meine Mitbewohnerin und sein Kumpel lagen jedenfalls am Boden. 
Letztlich sind wir dann intuitiv doch in die falsche Straße eingebogen und haben nach einigen Umwegen noch zu der Tapas Bar gefunden, die, da lag ich mit meiner Annahme schon richtig, in der Nähe der Zeise Hallen gelegen ist. Nach etlichen, köstlichen Oliven, knusprigem Weißbrot und mildem Ziegenkäsesalat hat mein Magen immer noch nach mehr verlangt. Also tat ich ihm den Gefallen und suchte auf dem Rückweg nach einer Eisdiele.  

2. Gespräch
Lisa: Hallo! Welche Sorte ist das denn da hinten?
Ich zeige auf eine gelbliche Eismasse, in der das Schild "Neuheit" steckt.
Verkäufer: Das ist unsere neueste Sorte. Lemonbiscuit. Wollen Sie mal probieren?
Lisa: Ja, gerne.
Ich stecke mir den angebotenen Löffel in den Mund.
Lisa: Schmeckt sehr lecker!
Kurze Pause, ich sondiere nochmal das übrige Angebot und überlege.
Verkäufer: Und wenn Sie jetzt auch noch erraten, welcher Geschmack das genau ist, bekommen Sie eine Kugel geschenkt.
Kurze Pause, ich gucke ihn irritiert an und überlege, ob er das gerade wirklich ernst meint. Ein Versuch ist es wert, denke ich.
Lisa: Hm, schmeckt irgendwie... nach Limone.
Verkäufer: Ja... schon mal sehr gut... noch was anderes vielleicht?
Lisa Hm... und irgendwie nach... Keks!
Verkäufer: Wow! Das schaffen echt nur wenige!  
Er formt eine große Kugel Lemonbiscuit, tut sie in die Waffel und schenkt mir das Eis.

Schweigend gingen meine Mitbewohnerin und ich zum Bus, ich schleckte andächtig an meinem Gratiseis.


Es ist Freitag und schon spät. Jetzt liege ich entspannt auf meinem Bett. Keine Musik, kein Fernseher und sowieso kein Chatprogramm. Das erste Mal seit langer Zeit, seit zwei Monaten genau, konnten wir wieder zusammen am Stadtleben teilnehmen und in Ruhe miteinander reden. Seit zwei Monaten hatte sie wahnsinnig viel gelernt und ich hatte mich zeitgleich in wahnsinnig viel Arbeit gestürzt. Obwohl wir zusammen leben, haben wir uns so gut wie gar nicht gesehen und nicht einmal Zeit gehabt, einen Kaffe zusammen zu trinken. Heute ist der erste Tag der Woche, an dem ich keinen Termin mehr wahrnehmen und der erste Freitag seit Wochen, an dem ich keinen Koffer packen musste. Soweit alles erledigt, ich muss für heute nicht mehr auf die Uhr schauen, mich nicht mehr konzentrieren und an nichts relevantes mehr denken. Eine kostbare Wohltat, die man erst zu schätzen weiß, sobald man in all der Hektik kurz Zeit zum Durchatmen hat. Vielleicht schaue ich gleich noch einen Film an, vielleicht höre ich Musik, lese mein Buch oder die Zeitung. Oder ich gehe schlafen ohne dass der Wecker morgen früh alles versaut. Diese Auswahl an Entspannung und Genuss ist toll und Männer, die mir den Tag versüßen, wie meine beiden Bekanntschaften eben, auch.

3 Kommentare:

Der alte Herr hat gesagt…

Ich kann mir genau deine Augen beim Erraten des Lemonbiscuit vorstellen (lach).

Baobab hat gesagt…

Ich sehe da im Hintergrund auf dem Schränckchen einen tollen Bilderrahmen ;-)

Lisa hat gesagt…

sehr aufmerksam ;)

Twittern